Hypnotisch die Augen der Betrachter in den Bann ziehen: was in den Werken der op art ab den 1960-er Jahren in einigen Fällen durch irritierende optische Täuschungen gelang, als einer Weiterführung der Farben- und Licht-Thematisierung durch das Bauhauses und den russischen Konstruktivismus - bei der brasilianischen Malerin und Architektin Taisa Nasser sind die Höhepunkte von durch die Kunst herstellbaren Licht – und Farbwirkungen voll ausgespielt.
Und wie immer, wenn sich der Lichteinfall in den Farbkörper zum glühenden Leuchten bricht, sind die Träger dieses Effektes Farbpigmente. Sie ist in dieser alten Technik nicht allein. Der Jahrzehnte lange Einsatz etwa von Taisa Nassers Mailänder Malerkollegen Helmut Schober und Helmut Dirnaichner mit Farbpigmenten, hergestellt aus zermahlenen Steinen und Halbedelsteinen, macht das eindrucksvoll evident, hierin eben vergleichbar dem Werk von Taisa Nasser, die das Material der Farbe als plastischen Körper zu ihrer wesentlichen künstlerischen Aussage erhoben hat.
Mit einer beispiellosen Radikalität und Unbeirrbarkeit hält die Künstlerin an ihrer Programmatik fest, den Kosmos in fokussierenden Farbbündelungen einzufangen und öffnet so der Malerei neue konzeptuelle wahrnehmungsästhetische Wege – eine fröhliche, lebensbejahende Farben-Wissenschaft und Farben-Kunst, die sich in ihren Werken auf höchst abwechslungsreich austarierte Weise entfaltet zu einer neuen Farbenlehre und Farbenpraxis. Diese knüpft an diejenige der Bauhauskünstler der 1920- er und der 1930-er Jahre in Weimar, Dessau und Berlin an. Denn die Farberfindungen von Johannes Itten, Wassily Kandinsky und Paul Klee haben nicht aufgehört zu wirken, bis heute, nämlich bis zu den Farbexperimenten von Jerry Zeniuk, dessen „Munich School“ gerade in China entdeckt und gewürdigt wird.
Insofern ist es nur folgerichtig, dass Bayerns Landeshauptstadt München Taisa Nasser zu einem dreimonatigen Gastaufenthalt ab Sommer 2013 in die Stipendiaten-Villa Ebenböck eingeladen hat, wo sie im Umkreis der historischen Wirkungsstätte des „Blauen Reiters“ auf die heutigen ForscherInnen und MalerInnen der Farb-und Licht-Erkundungen treffen wird, etwa Gotlind Timmermanns und Barbara Bernrieder.
Mit ihrem Berliner Auftritt in der Botschaft Brasiliens beginnt für die Künstlerin so eine Phase des Dialogs, nicht nur mit den Münchner Kollegen, sondern auch mit denen aus Berlin, wie der koreanischen Malerin SEO, und denen aus Leipzig, Dresden, Chemnitz, Düsseldorf, Köln und Karlsruhe, wie Susanne Zuehlke, aber auch aus Österreich, wie
der polnischen, in Wien lebenden Malerin Joanna Gleich. In der exponierten Situation, in der sich Brasilien in den nächsten Jahren mit der Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft und der Olympischen Spiele begeben wird, erlangt sie die wichtige Funktion einer kulturellen Botschafterin ihres Landes.
Elmar Zorn, München